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Neuspanien
(Mexiko, 2005)

Seit den ausgedehnten Landgaengen zeitgemaess bewaffneter iberischer Schiffsbesatzungen im 16. Jahrhundert schlug die sagenhafte (post)klassische Periode Mittelamerikas verhaeltnismaessig abrupt um in eine der rapiden (und nicht eben unblutigen) Hispanisierung.


Die spanischen Fassaden bröckeln heftigst in der alten Kolonie

Zum Zentrum der Kolonie ward Cuidad de Mexico auserkoren, gebaut auf den Truemmern der aztekischen Hauptstadt (die ihrerseits ueber den etwas zugewachsenen Mauern einer noch aelteren Kultur gestanden hat) "Kein Stein wird auf dem anderen bleiben", dachte sich die spanische Administration wohl seinerzeit. Damit aber nicht ein Gassenchaos wie im Mutterland wuerde entstehen koennen, verfassten die Verantwortlichen der Krone eine Dekret, welches das schnell zu verstehende Schachbrettmuster zum verbindlichen Grundriss der neuspanischen Staedte erklaerte.

Das zentralmexikanische Hochland, das deutlich ueber 2000m N.N. liegt (eigentlich ziemlich duenne Luft fuer ausgepowerte Katalanen) und sich einige hundert Kilometer noerdlich der mexikanischen Hauptstadt verliert, erwies sich in Folge als florierender Prototyp des spanischen Kolonialismus. Entscheidenten Beitrag dazu lieferte das silbererzhaltige Gestein der neuspanischen Berge, das dem koeniglichen Bedarf des Mutterlandes gerade recht kam (und Dekaden spaeter als Mitursache der verpassten Industrialisierung auftrat).


Oaxaca - die schönste Kolonialstadt des südlichen, zentralen Mexiko

Jedenfalls wurden in diesen Jahren im Umkreis der ergiebigen Minen Kolonialstaedte von betraechtlicher Schoenheit gegruendet und aufgebaut. Heute, da der sprichwoertliche Zahn der Zeit ordentlich genagt hat und sich um das "Centro historico" die farbenfrohe und unaufdringliche lateinamerikanische Gegenwartsbauweise ausbreitet, kann sich das mexomediterrane Flair voll entfalten. Im Vergleich zu ihren iberischen Vorbildern sind die grossen mexikanischen Kolonialstaedte eine Kleinigkeit schmutziger, aber - so gesehen - auch ein bisschen ehrlicher und authentischer als die konservierten Puppenhaeuser am Mitelmeer (deren Charme ich natuerlich nicht in Frage stellen will).

Schoenes Beispiel einer reichgewordenen Minenstadt ist Guanajuato (andere sind etwa Zacatecas, Morelia, San Miguel Allende, Queretaro etc.), gebaut in einem ausgetrockneten Flusslauf etwa 300 km nordwestlich von Mexiko Stadt. Ungewoehnlich doch nachvollziehbar ist das deutliche Abweichen vom orthogonalen Wegebau, da waren die Widerstaende durch Biegungen des Flusslaufs und die steil aufsteigenden Berge schliesslich doch ernster als die hehren Prinzipien. Die verwinkelten Gassen sind stattdessen zum Teil so eng, dass sich Menschen von gegenueberliegenden Balkonen bei Bedarf problemlos kuessen koennen (das ist die Pointe der lokalen Romeo-und-Julia-Variante). Auch ist Guanajuato quasi das Freiburg Mexikos: ueberdurchschnittlich viele Studenten und Touristen, die sich im Quadranten um Universitaet und Basilika an Cafes und Buchlaeden vorbeiquetschen.Eine besondere Originalitaet besitzt ferner die Verlegung grosser Teile des Autoverkehrs in Tunnelsysteme unter der Stadt (Minenwesen und Tunnelbau kann man auch gleich vor Ort studieren) - eine, wie ich finde, interessante Alternative zur U-Bahn. Wie Metrostationen sehen dann auch die Abgaenge zu den Bushaltepunkten aus, geparkt wird ebenfals im Tunnel. Ab und an liegt auch ein Stueck Strasse frei im Graben, an diesen Stellen erinnert Guanajuato fast ein bisschen an Venedig, nur nicht mit Gondeln, sondern mit Pick-up-Trucks.


Straßenverkehr im Untergrund von Guanajuato

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